Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045

Der Ariadne-Szenarienvergleich

Der Ariadne-Pathfinder zeigt konkrete Transformationspfade, wie Klimaneutralität bis 2045 für Deutschland erreicht werden kann.

Die Transformationspfade erlauben Einsicht in verschiedene Strategien zum Umbau des gesamten Energiesystems, aber auch für die Einzelsektoren Verkehr, Industrie und Gebäude. Sie geben Antworten auf die zentrale Frage, welche Rolle die direkte Elektrifizierung durch erneuerbaren Strom bzw. die indirekte Elektrifizierung durch strombasierte E-Fuels und Wasserstoff spielen können. Die zugrundeliegenden Szenarien basieren auf einem umfassenden Modellvergleich, der es erlaubt robuste aber auch unsichere Optionen zu identifzieren.

Die Ergebnisse im Pathfinder basieren auf einem umfassenden Szenarienbericht, der hier heruntergeladen werden kann: zum Download.

Was bedeutet Klimaneutralität?

Um die globale Erwärmung auf wesentlich unter 2°C zu begrenzen, ist Deutschland durch das im Jahr 2021 novellierte Klimaschutzgesetz verpflichtet, bis spätestens 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Was bedeutet das?

CO2-Restbudget (weltweit)19902019205037 Gt0 GtKlima-neutralitätWeltweit500 GtQuelle: Basierend auf Daten des CEDS

Globale Perspektive

Die globale Erwärmung steigt seit Beginn der Industrialisierung proportional mit den kumulierten CO2-Emissionen. 2019 emittierte jeder einzelne Mensch auf der Erde durchschnittlich 4,7 Tonnen CO2, was einen Gesamtausstoß von ca. 36 Gt pro Jahr zur Folge hatte.

Klimaneutralität

Um die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf wesentlich unter 2°C zu begrenzen, müssen die weltweiten Emissionen an Treibhausgasen bis 2050 auf Netto-Null abgesenkt werden - sprich Klimaneutralität erreicht werden.

Klimaneutralität bedeutet, dass sämtliche Treibhausgas-(THG-)Emissionen so weit wie möglich reduziert und nicht vermeidbare Emissionen durch Treibhausgas-Senken ausgeglichen werden.
Um die Erreichung des 1,5°C Ziels im Bereich des Möglichen zu halten (50 % Wahrscheinlichkeit), bleibt uns seit Anfang 2020 nur noch ein sehr geringes globales Restbudget von ca. 500 Gt CO2. Das bedeutet, dass bis 2050 jeder einzelne Mensch im Durchschnitt maximal 60 Tonnen CO2 emittieren darf.

Pro Kopf-Emissionen bis 2050 in t CO2e

Pro Kopf-Emissionen bis 2050 (weltweit) in t CO2eWeltweit: 60
CO2-Restbudget (Deutschland)1990201920451,1 Gt0,7 Gt0,79 Gt CO2e-0,04 Gt0 Gt0,75 GtKlima-neutralitätDeutschland7,5 GtKeineCO2-EmissionenCO2GHGQuelle: UBA

Emissionsentwicklung in Deutschland

Obwohl die CO2-Emissionen in Deutschland seit 1990 von ca 1,1 Gt auf 0,7 Gt pro Jahr gesunken sind, emittierte 2019 jeder Deutsche im Schnitt noch 9,7 Tonnen CO2. Also mehr als das Doppelte des weltweiten Duchschnitts. In den nächsten Jahren ist eine massive Stärkung der Klimaschutzanstrengungen in allen Bereichen nötig, um den Weg zur Klimaneutralität zu ebnen.

Klimaneutralität

Aufgrund der jüngsten Novelle des Klimaschutzgesetzes ergibt sich für Deutschland ein Maximalbudget aller aggregierten Treibhausgas-Emissionen von 7,5 Gt für den Zeitraum von 2019 - 2045.

Für 2030 wurden Zwischenziele zur Minderung der Treibhausgas-Emissionen um 65 % gegenüber 1990 festgelegt. Damit gewährt sich Deutschland pro Kopf Gesamtemissionen von 90 t CO2 bis 2045.

Somit stellen die Jahre 2030 und 2045 wichtige Meilensteine auf dem Weg zur Klimaneutralität dar.

Pro Kopf-Emissionen bis 2045 in t CO2e

Pro Kopf-Emissionen bis 2045 (weltweit) in t CO2eWeltweit: 60
Pro Kopf-Emissionen bis 2045 (Deutschland) in t CO2eDeutschland: 90

Verbleibende Emissionen

Selbst bei einem vollständigen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energie verbleiben CO2-Emissionen aus Industrieprozessen, sowie Methan- und Lachgasemissionen aus der Landwirtschaft. Diese zusätzlichen Emissionen führten 2019 zu einer Gesamtemission von ca. 790 Mt CO2-Äquivalenten. Gerade Emissionen aus diesen Bereichen lassen sich schwer auf Null reduzieren.
Nahezu alle globalen Klimaschutzszenarien zeigen eine zumindest temporäre Überziehung des CO2-Restbudgets, was auch zu einem zeitweisen Überschreiten der 1.5°C-Grenze führt.

Negative Emissionen

Verbleibende positive Emissionen müssen entsprechend durch CO2-Entnahme und natürliche Senken ausgeglichen werden. Alle Optionen sind jedoch beschränkt, etwa durch ökonomische Kosten, einen potenziell hohen Energieverbrauch, physische Beschränkungen, notwendige technologische Entwicklungen oder potenzielle Umweltauswirkungen. Deshalb ist ambitioniertes Umsteuern zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen ab sofort notwendig.

Im Zentrum:
Energieerzeugung und -verbrauch

Der größte Anteil an Treibhausgas-Emissionen entsteht in Deutschland bei Energieproduktion und -verbrauch. Durch das novellierte Klimaschutzgesetz werden klare Emissionsreduktionsziele für diese Bereiche vorgegeben.

85164Verkehr67124Gebäude118187Industrie108258EnergiewirtschaftSektoremissionen in 2019erlaubte Emissionen in 2030 laut KSGMt CO2Quelle: UBA

Verursacher der Emissionen

Energiebedingte Emissionen machten im Jahr 2019 etwa 85 % der Emissionen in Deutschland aus. Den Hauptanteil hat dabei die Energiewirtschaft für die Produktion von Strom und Wärme, gefolgt von den Endverbrauchssektoren Verkehr, Industrie, und Gebäude.

Das novellierte Klimaschutzgesetz schreibt als Zwischenetappe für das Zieljahr 2030 entsprechende zulässige Jahresemissionsmengen in diesen Sektoren fest. Verkehr und Gebäudesektor müssen die Emissionen halbieren. Die Industrie muss ihren THG-Ausstoß um ein Drittel reduzieren, die Energiewirtschaft sogar um zwei Drittel.

Die Ariadne-Szenarienanalyse

Die Ariadne-Szenarien beschreiben verschiedene Pfade, wie das Energiesystem in Deutschland klimaneutral gemacht werden kann. Dabei stehen verschiedene Wege zur Nutzung von erneuerbarem Strom für die Energieversorgung im Zentrum.

Direkte ElektrifizierungElektronenIndirekte ElektrifizierungMoleküle

Elektronen und Moleküle

Für die Umstellung von einer fossil basierten Energieversorgung auf erneuerbare Quellen spielen zwei Technologieansätze eine zentrale Rolle: Die direkte Elektrifizierung der Endnutzung (Nutzung der Elektronen) oder die indirekte Elektrifizierung durch Umwandlung von Strom in Wasserstoff oder E-Fuels (Moleküle).

Elektronen

Bei der direkten Elektrifzierung wird erneuerbarer Strom („Elektronen”) direkt genutzt, um z.B. Verbrennungsmotoren durch Elektromotoren oder fossil basierte Heizsysteme durch elektrische Geräte zu ersetzen. Viele Elektrifizierungstechnologien zeichnen sich durch eine im Vergleich zur Verbrennung sehr hohe Umwandlungseffizienz aus.

Moleküle

Die indirekte Elektrifizierung durch Wasserstoff und E-Fuels („Moleküle“) ist insbesondere für schwer elektrifizierbare Endnutzungsbereiche oder Grundstoffanwendungen relevant, z.B. für Flugverkehr oder chemische Verfahren. Für grünen Wasserstoff und E-Fuels sind große Mengen erneuerbaren Stroms notwendig und die Umwandlungseffizienz ist niedrig. Bei ausreichenden Mengen erneuerbaren Stroms ist jedoch ihre Speicher- und Transportierbarkeit ein Vorteil.

Ariadne-Pathfinder-Szenarien

Der Ariadne-Pathfinder zeigt vier Szenariogruppen, die sich in ihrer Technologieausrichtung bezüglich direkter Elektrifizierung bzw. indirekter Elektrifizierung unterscheiden. Sie beschreiben keine Extrem-Welten, sondern Bandbreiten plausibler Entwicklungen. Dadurch erlauben sie die Analyse robuster Eigenschaften, die über alle Szenarien hinweg bestehen, z.B. den zügigen Ausbau erneuerbaren Stroms. Im Gegenzug zeigen sie auch, wo noch Unsicherheiten auftauchen, z.B. wenn die jeweiligen Transformationspfade stark variieren.

Elektrifizierungs-Szenario

Hierbei wird die direkte Elektrifizierung in den Endnutzungssektoren priorisiert. Zum Beispiel durch den Einsatz batterieelektrischer Fahrzeuge nicht nur bei PKW, sondern auch LKW oder durch einen beschleunigten Ausbau der strombasierten Wärmeversorgung über Wärmepumpen.

Wasserstoff-Szenario

Dieses Szenario modelliert eine verstärkte Nutzung von Wasserstoff in Bereichen, in denen die Priorisierung der direkten Elektrifizierung schwierig ist. Zum Beispiel im Schwerlastverkehr oder der Prozesswärme für die Industrie.

E-Fuel-Szenario

Hier werden erneuerbare synthetischer Brennstoffe (E-Fuels) verstärkt genutzt. Weil E-Fuels fossile Brennstoffe direkt ersetzen können, wird der Transformationsdruck für die Endnutzungssektoren Industrie, Gebäude und Verkehr gemindert.

Technologiemix-Szenario

Im Technologiemix-Szenario wird ein Mittelweg zwischen den Technologieausprägungen „Elektrifizierung”, „Wasserstoff” und „E-Fuels” modelliert.

Der Ariadne-Modellvergleich

Gesamt- und Sektormodelle

Das Besondere an dieser Szenarienanalyse ist, dass sechs Gesamtsystem- und Sektormodelle in einer Studie integriert wurden, die sich in ihren jeweiligen Stärken ergänzen: Für spezifische Fragestellungen wurde jeweils ein Modell als Leitmodell hervorgehoben, welches die entsprechenden Aspekte am genauesten abbildet. Die breit gefächerte Analyse durch Szenarien- und Modellvergleich ermöglicht es, die Implikationen der Energiewende robust und im Detail zu beschreiben.

Im Bild sehen Sie die Sektoren und die jeweils beteiligten Modelle, wobei das entsprechende Leitmodell hervorgehoben ist.

Säulen zur Klimaneutralität in den Szenarien

Trotz der unterschiedlichen Technolgieausrichtung der Szenarien ergeben sich drei wesentliche gemeinsame Eigenschaften – die Säulen der Klimaneutralität.

Die Stromerzeugung ist aktuell der größte Emissionstreiber, gleichzeitig wird sie zum Dreh- und Angelpunkt der Transformation. Die Technologien sind so ausgereift, dass durch Wind und Sonne große Mengen erneuerbarer Energien hergestellt werden können. Zudem können viele Endverbräuche dekarbonisiert werden, indem sie elektrifiziert bzw. auf strombasierte E-Fuels und Wasserstoff umgestellt werden. Zuletzt wird Effizienz eine wichtige Rolle spielen, zum Beispiel durch besser isolierte Gebäude, aber auch durch Material- und Ressourceneffizienz.

Dekarbonisierung der Stromerzeugung

Aktuell wird Strom noch ca. zur Hälfte auf Basis fossiler Energieträger, wie Kohle und Gas erzeugt. Jedoch zeigt die Szenarienanalyse, dass die Klimaschutzziele für den Energiewirtschaft durch die Umstellung der Stromerzeugung auf Erneuerbare sogar übererfüllt werden können. Wind und Sonne werden bei der Dekarbonisierung der Stromerzeugung zu den wichtigsten Quellen.

2020

Die Stromerzeugung 2020 basiert noch zu einem großen Teil auf der Verbrennung von Kohle und Gas.
60 % Fossile Quellen40 % Nicht-fossile Quellen

2030

Durch den Ausbau von Wind- und Solaranlagen kommt es zu einem raschen und substantiellen Rückgang des fossilen Anteils in der Stromerzeugung. Kohle spielt als Primärenergieträger für die Stromproduktion in 2030 eine geringe bis keine Rolle.
12 % Fossile Quellen88 % Nicht-fossile Quellen

2045

Bis 2045 ist der Stromsektor völlig dekarbonisiert. Zudem wird über alle Modelle hinweg die Stromproduktion massiv erhöht, um den Bedarf für die direkte und indirekte Elektrifizierung der Endverbräuche zu decken.
0 % Fossile Quellen100 % Nicht-fossile Quellen

Szenarien explorieren:

Direkte und indirekte Elektrifizierung der Endverbräuche

Ab 2030 werden Endverbräuche zunehmend direkt bzw. indirekt elektrifiziert. Dabei ist eine klare Entwicklung weg von fossiler, nicht-elektrischer Energie hin zu erneuerbarer, elektrischer Energie zu erkennen. Wo technisch möglich, ist es aus kosteneffizienter Perspektive sinnvoll Endverbräuche durch erneuerbare, elektrische Energie zu bedienen. Nur wo es technisch schwierig ist oder bei ausreichender Verfügbarkeit, wird durch Wasserstoff und E-Fuels indirekt elektrifiziert.

2020

2020 wurden die Endverbrauchssektoren Industrie, Gebäude und Verkehr hauptsächlich durch fossile, nicht elektrische Energie versorgt. Erneuerbarer Strom übernimmt einen vergleichsweise kleinen Teil der Versorgung, Wasserstoff und E-Fuels spielen für die Erreichung von Klimaschutzzielen noch keine Rolle.

2030

2030 ist die Stromherstellung weitestgehend erneuerbar. Der Einstieg in die Elektrifizierung bisher nicht-elektrischer Verbräuche bei Industrie, Gebäudewärme und Verkehr ist erreicht. Die bereitgestellte Menge an Wasserstoff und E-Fuels ist allerdings noch gering. Wasserstoff wird für den Einsatz in der Grundstoffindustrie priorisiert, E-Fuels in Verkehr und Industrie.

Szenarien explorieren:

2045

2045 sind nur noch sehr geringe Restmengen von fossiler Energie vorhanden. Die Mengen erneuerbaren Stroms und dementsprechend der Grad der direkten Elektrifzierung sind dagegen sehr hoch. Im Verkehrssektor ist vor allem der Personenverkehr, im Gebäudesektor die Wärmebereitsstellung und im Industriesektor sind z.B. Niedrigtemperatur-Prozesse direkt elektrifiziert. Zusätzlich zu Biomasse werden Wasserstoff und E-Fuels vor allem im Verkehrssektor und bei der Grundstoffproduktion verwendet.

Szenarien explorieren:

Energieeffizienz

Die Senkung der Energienachfrage durch effiziente Gebäude, Fahrzeuge, Geräte und Industrieanlagen ist eine wichtige Säule der Energiewende. Weil die Nutzung von Strom bei vielen Anwendungen – beispielsweise in Form von E-Mobilität oder Wärmepumpen – eine deutlich bessere Umwandlungseffizienz hat als die Nutzung von Brennstoffen, trägt die Elektrifizierung maßgeblich zur Minderung der Energienachfrage bei. Szenarien mit hohen Effizienzsteigerungen führen zu geringeren Zubaubedarfen für Erneuerbare Energien.

2020

Bei der Betrachtung der Energieeffizienz ist es wichtig nicht nur auf die Entwicklung der Endenergiebedarfe (rechts im Bild) zur achten, sondern auch auf die Eingangsenergiebedarfe, auch Primärenergiebedarfe genannt (links im Bild). Letztere berücksichtigen auch, wie hoch die Umwandlungsverluste bei der Energiebereitstellung sind.

2030

Bereits 2030 lassen sich Effizienzgewinne durch Effizienzmaßnahmen und die direkte Elektrifizierung einzelner Bereiche der Endnutzung verzeichnen.

Szenarien explorieren:

2045

2045 kann man einen massiven Rückgang sowohl für Primär- als auch Endenergie erkennen. Dies entsteht durch die direkte Elektrifizierung der Endverbräuche, aber auch durch Effizienzmaßnahmen in allen Endverbrauchssektoren, wie z.B. Material und Resourcen-Effizienz, effizientere Prozesse oder Gebäudeisolierung.

Szenarien explorieren:

Fazit

Durch den Verzicht auf die Nutzung fossiler Energieträger muss ein großer Teil der Infrastruktur, die darauf baut, frühzeitig abgeschafft werden. Einen Teil der Infrastruktur wird man durch die Nutzung von energieintensiven E-Fuels weiterbetreiben können. Häufig ist die Umstellung auf direkte Elektrifizierung durch Strom sinnvoller. In allen Szenarienvarianten haben wir gesehen, dass der Ausbau großer, zuverlässiger Mengen an erneuerbarem Strom im Zentrum für eine klimaneutrale Zukunft steht.

Vertiefen Sie den Einblick in die Szenarien mit Hilfe des Pathfinders, in dem Sie sich mit der

einen Überblick über die Emissionen und Energieträger der Zukunft verschaffen, oder explorieren Sie die Auswirkung im Detail in den kombinierten Sektoranalysen der Bereiche , und .

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